Gestern Abend sind wir auf der isländischen Hochebene angekommen und haben im eisigen Wind, unweit der Straße 26, die sich nach und nach in einen Schotterweg verwandelte, unser Zelt aufgeschlagen. Der mehr als 200 km lange Hochlandpiste über die Berge ist die längste Nord-Süd-Traverse Islands und führt mitten durch die Lava-, Kies- und Schottenwüste Sprengisandur. Bei den Reisenden seit Jahrhunderten wegen plötzlicher Wettereinbrüche gefürchtet, ist die diese Landschaft eingerahmt von den Gletschern Tungnafellsjökull und Hofsjökull. Hier wollen wir mit unseren Rädern durchfahren und in ein paar Tagen die Küste im Norden erreichen. Bewusst haben wir uns damit für die etwas kernigere Alternative zur landschaftlich auch reizvollen Umrundung Islands entschieden.

Tag 5 – 75 km / 915 Höhenmeter

Als wir am Morgen den Kopf aus dem Zelt stecken, verfliegt mit Blick auf den mit dunklen Wolken verhangenen Himmel erst einmal jede Hoffnung darauf, dass dies ein sonniger Tag werden wird. Der recht frische Wind bestätigt die auf dem Smartphone angegebene Temperatur von 6° C. Entschädigt werden wir durch den überwältigenden Anblick der graue Lavawüste, die mit ihren grauen Steinen wie die Oberfläche eines fremden Planeten wirkt und sich weit vor uns ausbreitet. Kein Geräusch ist zu hören, kein Tier zu sehen. Unser Müsli-Frühstück nehmen wir lieber im Zelt ein und kochen uns dazu einen Kaffee auf dem Gaskocher. Dann geht es raus aus dem wohligen Schlafsack, ab in die Radsachen und frisch gestärkt packen wir das Zelt und unsere Ausrüstung zusammen, um die heutige Tagestour anzugehen.

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Die Piste wird schwieriger … nur nicht für das Fatbike!

Die Piste ist zunehmend schwieriger zu fahren, da der Belag immer aus gröberen Schotter besteht, gelegentlich zur Wellblech- oder Lavasandpiste wird und der Boden durch den Regen auch teilweise aufgeweicht ist. An der Abzweigung von der 26 zur F26 wird der Weg nochmals etwas beschwerlicher. Jedenfalls für mich! Christof rollt mit seinem Fatbike und den 4,6er Reifen wie ein Panzer über die Strecke, weil seine dicken, nur mit 0,5 Bar geladenen Reifen, alle Unebenheiten einfach wegschlucken. Währenddessen bockt mein Rad immer wieder unwillig und fahrtechnisch muss ich deutlich achtsamer unterwegs sein, um durch einen Fahrfehler nicht sogar zu stürzen. Für den Komfort lasse ich nochmals etwas Luft aus meinen Reifen, muss dafür jetzt aber noch vorsichtiger fahren, um keinen Durchschlag zu bekommen. Ich nehme mir vor, bei der nächsten Tour über Pisten, Sand oder grobe Schotterwegs entweder mit 2,4 er Reifen oder auch mit einem Fatbike unterwegs zu sein.

Tiefe Sandpiste:

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Kurz nach der Abzweigung zur F26 erreichen wir eine Hütte, die auch auf der Karte eingezeichnet ist. Es stellt sich heraus, dass dies lediglich eine Wartungsstation für einen Stausee ist. Also füllen wir nur unsere Wasserflaschen und fahren im langsam zunehmenden Regen weiter. Die Schotterpiste lässt sich trotz der sehr unterschiedlichen Qualität jetzt wieder recht gut fahren, weil uns kaum steile Steigungen erwarten.

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Die erste Flussüberquerung

Dann kommt unsere erste Flussüberquerung. Während Christof mit seinem Rad durch eine Furt fährt, entscheide ich mich aufgrund der höheren Sturzgefahr mit den schmaleren Reifen für die erfrischendere Variante: Radschuhe und Socken aus, Sandalen an und ab zu Fuß durch das eiskalte Gletscherwasser. Auf der anderen Seite trockne ich meine Füße kurz, steige wieder in die Schuhe und die Regensachen und weiter geht es. Alles deutlich einfacher als gedacht. Am Nachmittag kommen uns noch zwei Tourenradlern aus Schottland entgegen, die die einzigen Radler bleiben sollen, denen wir auf der Hochstraße F26 begegnen werden.

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Um 20 Uhr erreichen wir schließlich die Versorgungshütte am Jökulsá Fluss. Es ist bereits eine große Gruppe mit Motorradfahrern da, die uns am Nachmittag an einem langen Anstieg überholt hatten und auch ein paar Zelte einer deutschen Reisegruppe sind bereits aufgeschlagen. Zu essen gibt es hier nichts (außer man bringt selbst etwas mit) aber eine heiße Dusche für 500 ISK / ca. 3,50 EUR und als Unterkunft der Mehrbett-Schlafsaal (ca. 50 EUR p.P.) oder das eigene Zelt (3,50 EUR). Wir entscheiden uns gegen den Schlafsaal, weil die akustischen und olfaktorischen Aussichten eines Mehrbettmännerschlafsaals mit dem kuscheligen Schlafsack im Zelt an der frischen Luft nicht mithalten können. Es regnet nicht, wir bekommen eine heiße Dusche und die Wetteraussichten sind gut; so dass alles für die Übernachtung im Zelt spricht, vor dessen Eingang wir kurze Zeit später unsere obligatorische Nudelportion zubereiten.

Tag 6 – 49 km / 405 Höhenmeter

Gegen 7:30 Uhr wache ich auf und spüre sofort, dass etwas anders ist. Es ist warm im Zelt! Der Blick aus dem Zelt bestätigt meine Hoffnung: die Sonne scheint und erwärmt mit ihren warmen Strahlen das Zelt und jetzt auch mein Gesicht. Mit Begeisterung steigen wir aus dem Zelt und genießen den ersten sonnigen Morgen seit unserem Tourstart vor 6 Tagen. Die Aussicht auf die umliegenden Berge und den Gletscher Hofsjökull ist phantastisch!

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Nach dem Frühstück geht es gleich mit der ersten Flussüberquerung dieses Tages los, die uns nach 300 Metern erwartet. Gleichzeitig merken wir, dass wir außer der Sonne für heute noch einen Begleiter haben: heftigen Gegenwind! Der Wind lässt unsere Reisegeschwindigkeit deutlich abnehmen, was bei dem schönen Wetter und den wunderbaren Ausblicken aber nachrangig ist. An der Kreuzung der Wege F910 und F26 entscheiden wir uns für die Weiterfahrt auf der F26 mit dem Ziel, die nächste Versorgungshütte bei Laugafell zu erreichen.

Vollbeladen mit dem Fatbike in den kalten Fluss!

Bei Kilometer 27 erwartet uns aber erst einmal ein breiter, diesmal deutlich tieferer Fluss mit einer recht starken Strömung. An ein einfaches Durchfahren glaube ich nicht recht und als Christof es mit dem Fatbike trotzdem versucht, kippt er prompt in der Mitte des Flusses mit dem vollständig beladenen Fatbike um. Während Christof flucht halte ich mit der Kamera den erfrischenden Moment der anschließenden Wanderung durch den Fluss für die Nachwelt fest.

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Ich entscheide mich von vornherein für die bewährte Durchquerung mit Sandalen und lasse auf der anderen Seite meine Füße in den warmen Sonnenstrahlen trocknen.

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Die weitere Strecke bietet einige „giftige“ Anstiege und tolle Ausblicke auf Gletscher, Bachläufe mit frischgrünem Moos und immer wieder die riesige Lavawüste. Am späten Nachmittag kommen wir an der Versorgungshütte Langafell an der Abzweigung zur F821 an. Wir fragen das nette Ehepaar, dass sich hier um die Gäste kümmert, was die Optionen sind. Ähnlich wie bei der letzten Hütte gibt es einen Schlafsaal und die Zeltoption. Als echten Bonus bekommen wir noch eingepackte Sandwiches und Joghurt geschenkt, die eine Hotelausflugsgruppe zurückgelassen hat. Außer uns sind nur noch wenige Reisende anwesend (3 x mit Jeeps und 1 x mit Motorrad). Da wir uns das eigene Kochen nun gespart haben, bauen wir schnell unser Zelt auf und können dann die besondere Attraktion dieser Versorgungshütte genießen: ein Bad im von heißen Quellen gespeisten Außenpool mit Premiumaussicht auf die umliegenden Berge!

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Tag 7 – 86 km / 428 Höhemeter

Die Nacht über hat es heftig geregnet und leider ist über den Zeltboden des inzwischen etwas betagteren Zeltes auch etwas Feuchtigkeit ins Zelt gedrungen. Weil wir aber auf aufblasbaren Isomatten schlafen und die meisten Dinge in die wasserdichten Ortlieb-Packtaschen verstaut hatten, sind letztendlich nur wenige Sachen nass geworden. Zum Glück bietet die nahe stehende Hütte mit WC und Umziehräumen ein Überdach, das uns vor dem Regen und dem heftigen Wind schützt, während wir an der Tisch-Bank-Kombination unser Frühstück anrichten und gleichzeitig im Umziehraum unsere Sachen trocknen. Müsli, Trockenobst und Kaffee geben uns einen guten Start in den Tag. Als der Regen etwas abnimmt und alle Sachen trocken sind, brechen wir um 11 Uhr auf und bekommen auch gleich die beste Medizin gegen die Kälte geliefert: einen giftigen Anstieg um mehr als 100 Höhenmeter auf grober Schotterpiste!

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Von hier aus geht es auf wechselnden, teilweise schwer befahrbaren Belag leicht ansteigend bis auf fast 1.000 Höhenmeter über die Hochebene. Unser Mittagessen nehmen wir, vom Wind geschützt, hinter einem hohen Stein ein, der wohl vor Urzeiten durch einen gewaltigen Vulkanausbruch hierhin geschleudert wurde. Das Festmahl unserer inzwischen letzten Vorräte besteht aus einem Joghurt, einer Nuss-Fruchtmischung und einem Schokoriegel.

Eine steile Abfahrt im Nebel

Schließlich erreichten wir das Ende der Hochebene. Vor uns liegt, in einen dichten Nebel gehüllt, das Tal. Die Luft ist von Schwefel erfüllt. Die nun folgende Abfahrt ist teilweise extrem steil und aufgrund der immer wieder auf dem Weg liegenden, großen Schottersteine schwer zu fahren. Es hat offensichtlich viel geregnet, denn an etlichen Bachläufen müssen wir durch eine heftige Strömung fahren. Das klappt nicht immer, ohne dass wir die Schuhe zumindest kurz in das eiskalte Wasser eintauchen und die Räder schieben müssen. Die Aussichten auf die uns umgebenen steilen Berge muss an einem sonnigen Tag fantastisch sein! So können wir durch den Nebel hindurch nur gelegentlich die schnellbedeckten Berge erkennen und gleichzeitig bemerken wir, wie es mit jedem Meter grüner wird.

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Als wir schon einen guten Teil des Weges in die Tiefebene hinter uns gelassen haben, kommen uns 3 Mädel mit ihren Rucksäcken entgegen. Sie haben sich vorgenommen, die Hochebene, die wir in 3 Tagen mit dem Rad durchquert haben, zu durchwandern! Wir sind beeindruckt, denn vor ihnen liegt aufgrund der schweren Rucksäcke, in die auch jede Menge Verpflegung rein musste, eine erhebliche körperliche und damit zugleich auch psychische Herausforderung. Wir wünschen den dreien aus Deutschland und Norwegen noch eine gute Reise, bevor es auch für uns weitergeht.

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Schließlich erreichen wir nach einer letzten weiteren Überquerung eines breiten Bachlaufes wieder die erste geteerte Straße seit 4 Tagen. Gleichzeitig lichtet sich der Nebel und gibt den Blick auf die gewaltigen Berghänge zu beiden Seiten des Flusses Eyjafjaròará frei, an dem wir nun, beständig leicht abwärts, im hohen Tempo bis nach Akureyri fahren. Die Stadt Akureyri ist mit etwas mehr als 18.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt Islands nach Reykjavík und dessen zwei Vororten Kópavogur und Hafnarfjördur. Allein das gibt einem einen Eindruck davon, wie sich der Rest der Einwohner auf diese riesige Insel verteilt.

Unsere erste feste Unterkunft seit einer Woche

Wir checken in einer frisch renovierten Unterkunft mit dem schönen Namen „Our Guesthouse“ (Hafnarstræti) ein und buchen uns 2 Betten im 6-Personen-Schlafsaal (30 EUR p.P.). Auf diese Weise haben wie eine schöne Gelegenheit, nochmals alle elektrischen Geräte und Ersatzakkus aufzuladen und unsere Wäsche waschen zu lassen. Hungrig geht es danach ins nur 300 Meter entfernte Zentrum, wo wir uns zur Pizza unser erstes isländisches Bier seit unserer Ankunft von einer Woche gönnen. Köstlich! Es gibt ja auch etwas zu feiern: den erfolgreichen Abschluss der Tour über die Hochebene. Für uns eine der schönsten Etappen, die wir je zusammen gefahren sind!

Da unsere Beine inzwischen eine solide Grundspannung haben (man könnte es auch Dauermuskelkater nennen) und sich das beschauliche Akureryri dazu anbietet, beschließen wir morgen einen Ruhetag einzulegen.

Tag 8 – Ruhetag in Akureyri

Unsere Unterkunft ist für den heutigen Tag ausgebucht. Das stört uns aber nicht weiter, denn die Wäsche ist nun gewaschen, alle unsere elektrischen Geräte sind aufgeladen, die Fahrräder haben wir nach der materialbeanspruchenden Piste der letzten Tage einer Inspektion unterzogen und der Campingplatz ist nur 1 Kilometer entfernt. Wir lagern also unser Gepäck und die Räder den Tag über in der Unterkunft ein, besichtigen das Städtchen, den Hafen, kehren zu Mittagessen und Kaffee in gemütliche Restaurants ein und verbringen so einen entspannten Tag. Am Abend geht es über einen extrem steilen Berg hinauf zum Campingplatz. Das Zelt ist schnell aufgestellt und dann geht es zu einem schönen Ausklang des Tages in das nebenan liegende heiße Freibad, in dem sich in den Abendstunden auch viele Isländer tummeln.

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Morgen werden wir wieder auf die Räder steigen. Wir haben noch genau eine Woche Zeit, was auch die einzuschlagende Richtung vorgibt: es wird wieder nach Westen gehen. Die Details werden wir auch mit Blick auf das morgige, aktuelle Wetter beschließen. Mehr dazu im nächsten Post!

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