Sicherheit

Im Hinblick auf meine Radreisen begegne ich oft der Vorstellung, dass insbesondere das Reisen als Solofahrer durch fremde Länder besonders gefährlich sei. Wenn ich nachhake, stelle ich meist fest, dass der- oder diejenige noch nie in dem konkret anvisierten Reiseland war, aber „schon viel davon gehört“ hat. Natürlich stellt sich unwillkürlich die Frage wie zuverlässig die jeweilige Quelle der Information war und ob Einzelmitteilungen aus den Medien einen realistischen Ausblick auf die tatsächlichen Risiken geben können. Ohne Zweifel ist es nicht gefahrlos sich mit einem Rad auf eine längere Radtour durch fremde Länder zu begeben, dabei regelmäßig irgendwo sein Zelt aufzuschlagen, unbekannte Speisen zu essen und sich auch sonst Umständen auszusetzen, die man aus der Heimat nicht gewöhnt ist. Aber wie groß ist das Risiko wirklich und was sind die tatsächlichen Gefahren? Nachfolgend mein Erfahrungsbericht.

1. Die Darstellung in den Medien

Wir leben gegenwärtig in einer Welt, in der ständig neue Mitteilungen über kriegerische, kriminelle und terroristische Ereignisse über diverse Medien im Eiltempo verteilt und ständig aktualisiert werden. So erfahren wir innerhalb von Stunden oder gar Minuten per Twitter, Tagesschau-App und Facebook von einem Überfall auf zwei radreisende Touristen in Indien, einem Staat mit mehr als 1,2 Milliarden Einwohnern und der fast zehnfachen Fläche Deutschlands. Im konkreten Beispiel führte dies in den sozialen Medien zum wiederholten Male zu einer breiten Diskussion über die Gefahren des Reisens in Indien. Kommentare bei Facebook, wie „Indien, niemals! Viel zu gefährlich!!!“ waren die verbreitete Reaktion.

Noch vor einigen Jahren wäre es eher unwahrscheinlich gewesen, dass wir jemals von einem solchen Überfall gehört hätten. Solche Risiken und andere Risiken bestanden für den Reisenden aber schon immer und ganz sicher nicht nur außerhalb des eigenen Heimatlandes. Niemand würde wohl ernstlich davon ausgehen, dass Marco Polo im 13. Jahrhundert ohne jedes Risiko von Europa nach China reisen konnte! Die Nachrichtendichte mit einer Fokussierung auf negative Schlagzeilen führt heute allerdings zu einer selektiven, verzerrten Wahrnehmung der tatsächlichen Gefahren. Als Folge werden Risiken von Reisen außerhalb des eigenen, bekannten Terrains deutlich überschätzt und es verbreitet sich die Auffassung, dass die Welt mit jedem Tag ein bisschen gefährlicher wird.

2. Das Überfallrisiko

Eine der ersten Reaktionen, die ich oft bekomme, wenn ich davon erzähle, dass ich alleine mit dem Rad verreise, ist die Feststellung, dass dies doch „sehr gefährlich“ sei und ob ich nicht Angst hätte überfallen zu werden. Aus meiner Sicht dürfte die Gefahr eines mit dem Rad reisenden Globetrotters, Opfer eines Überfalls zu werden, sehr gering sein. Persönlich habe ich in 20 Jahren keinen einzigen Überfall erlebt. Ein beträchtlicher Vorteil dürfte sein, dass das Fahrrad in vielen Ländern der Welt als das Fortbewegungsmittel eher armer Menschen gilt. Dort kann man sich oft nicht vorstellen, dass es bei Menschen, die offensichtlich nicht das Geld für ein Busticket, geschweige denn ein Auto haben, viel zu holen gibt und das statusreduzierende Fahrrad möchte eh’ niemand haben. Hilfreich und teilweise notwendig ist allerdings die Beachtung einiger Punkte bei der Planung und Durchführung einer Radreise, um das eigene Glück nicht allzu sehr herauszufordern.

a) Krisen- und Kriegsgebiete

Die Welt wird derzeit von einer Vielzahl gewalttätiger Auseinandersetzungen bewegt, die teilweise täglich die Landkarte der für eine Radreise geeigneten Länder verändert. So sind Regionen, die vor wenigen Jahren noch als Traumziele für Radreisende galten, inzwischen zu Krisen- und Risikogebieten geworden. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass man nicht in Länder reist, in denen aktuell Krieg herrscht und / oder ein erhebliches Risiko besteht, Opfer einer Entführung zu werden. Wer mit dem Rad durch die schönen Berge Pakistans fährt und sich fragt, warum die Menschen dort mit Kalaschnikows bewaffnet sind und einem gelegentlich Steine hinterherwerfen kann sich einfach nur wundern oder alternativ feststellen, dass er seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Aber vielleicht hat man ja Glück und wird von einem mit Panzerfahrzeugen geschützten Konvoi der „Ärzte ohne Grenzen“ aufgegriffen. Wer glaubt, das sei ein erfundenes Beispiel, der irrt, denn genau das war Teil eines Reisevortrages, den ich vor einigen Jahren besuchte …

Insoweit hilft ein wenig Recherche, z. B. durch einen Blick auf die regelmäßig aktualisierten Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes und auf die World Risk Map. Wenn die dort erwähnten Risiken sich auf lange zurückliegende Ereignisse beziehen (zum Beispiel „…Überfall von Rebellen im Jahre 2008„), sollte man durchaus erwägen etwas aktuellere Informationen einzuholen, denn Sicherheitshinweise umfassen oft sehr große Zeiträume, in denen sich die Sicherheitslage auch verbessert haben könnte. Auch wenn dies die Recherchetätigkeit deutlich aufwändiger macht, ist es es gerade bei größeren Ländern auch empfehlenswert die regionalen Unterschiede zu kennen und bei der Planung der Tour mit einzubeziehen.

b) Kein Platz für Rolex und Goldkettchen

Als ich vor einigen Jahren mit meinem Kumpel Christof mit dem Rad durch Rumänien fuhr, begegneten wir einem jungen Franzosen. Er war ein paar Wochen vorher mit dem Rad in Frankreich aufgebrochen und wollte alleine durch Russland fahren. Sein verchromtes Fahrrad blitzte in der Sonne und bei einem Kaffee erzählte er uns, dass er auf die Mitnahme von Kreditkarten verzichtet habe; er hätte jetzt gerade mehr als 1.000 USD in Bargeld dabei! Der sympathische, aber etwas naive junge Mann war aus meiner Sicht das typische Beispiel einer „leichten und fetten Beute„. Wir haben die Reise des jungen Franzosen im Internet weiter verfolgt und zum Glück hat er seine gesamte Reise gut überstanden.

Was kann man besser machen? Zum einen sollte man bei seiner gesamten Ausrüstung darauf verzichten, ihr den Eindruck von viel Wert zu geben. Blitzender Schmuck, ein edel aussehendes Fahrrad (mit auffälliger Lackierung) und durch ein Logo weithin erkennbare Markenartikel sollte man, wenn möglich, nicht dabei haben. Das ist kein Plädoyer dafür, eine qualitativ schlechte Ausrüstung dabei zu haben. Es ist der Vorschlag den Wert soweit möglich „zu tarnen“. Beispielsweise habe ich mir für mein iPhone eine wasserdichte, recht unansehnliche Hülle besorgt, der Stahlrahmen meines Rades ist absichtlich nicht mit dem Markennahmen versehen und viel Chrom sucht man an meinem Rad vergeblich. Meine Radkleidung ist eher unauffällig und meinen Laptop packe ich in der Öffentlichkeit und Cafés nur dann aus, wenn dies nicht besonders auffällt (weil z. B. fast jeder Zweite im besuchten Starbucks auch ein MacBook hat…). 

c) Aufmerksam bleiben & Unauffällig verhalten

Die meisten werden während einer Reise außerhalb ihres gewöhnlichen Kulturkreises schon von Natur aus deutlich wachsamer sein und instinktiv darauf verzichten unnötige Risiken einzugehen. Gleichzeitig wird es einem, abhängig von den kulturellen Begebenheiten, deutlich schwerer fallen Situationen richtig einzuschätzen. Ist die Einladung zum Abendessen und Übernachten zum Beispiel ein harmloser Ausdruck von Gastfreundschaft, der der lokalen Kultur entspricht oder handelt es sich hier um eine Situation, die ungewöhnlich und deutlich gefahrerhöhend ist? Die Regel sollte sein, sich möglichst frühzeitig einer gefahrenhöhend empfundenen Situation zu entziehen.

Allgemein ist es ratsam, sich möglichst unauffällig zu verhalten und sich anzupassen. Das ist nicht immer möglich, weil man mit seinem bepackten Rad schnell das Potential zur Dorfattraktion mitbringt – wie ein Elefant in der Kölner Innenstadt. Gerade aber wenn es darum geht sich einen Schlaplatz zu suchen, ist aus meiner Sicht etws Umsicht angesagt, weil man im Schlaf draußen stattfindende „Entwicklungen“ nicht mitbekommt und man sich einer bedrohlichen Situation nicht mehr so einfach entziehen kann. Wenn ich zum Beispiel unweit einer Kleinstadt abends mein Zelt aufschlage, suche ich mir meist einen versteckten Platz und verzichte auf den Einsatz der Zeltlampe, um die alkoholisierte Dorfjugend abends nicht auf dumme Gedanken zu bringen.

Unauffällig mit dem Zelt im Yukon:

d) Was Tun wenn es zum Überfall kommt?

Wer in Gegenden unterwegs ist, in denen das erhöhte Risiko eines Überfalls besteht, sollte immer eine zweite Geldbörse dabeihaben. Diese sollte etwas Bargeld und die eine oder andere (abgelaufene oder nicht echte) Kreditkarte enthalten. Räuber nehmen sich meist nicht die Zeit den Inhalt einer Geldbörse vor Ort zu überprüfen und sind froh wenn sie jedenfalls etwas potentiell Wertvolles mitnehmen können.

Grundsätzlich sollte man der Empfehlung folgen, die man auch auf den Webseiten des Auswärtigen Amtes wiederholt lesen kann: „Bei einem Überfall ist in jedem Fall von Gegenwehr abzuraten!“. Wer sich in einer spezifischen Situation persönlich anders entscheidet, sollte wissen was er tut und sich der Risiken bewusst sein.

3. Gefährliche Tiere

Auf meiner Radtouren bin ich unter anderem riesigen Braunbären, Schwarzbären und giftigen Schlangen beim Zelten sowie Vogelspinnen in meinem Hotelzimmer begegnet. Dazu kamen immer wieder angriffslustige Hunde beachtlicher Größe, die mich gelegentlich auch im Rudel jagten und das eine und andere Mal meinen Pulsschlag ordentlich beschleunigten. Zum Glück bin ich bisher nie verletzt worden, obwohl es das ein und andere Mal schon etwas enger wurde.

Grizzlys in Alaska mit 30-110er Objektiv … viel zu nah dran!

Ich empfehle, sich vor Antritt der Reise mit dem potentiell gefährlichen Teil der lokalen Tierwelt vertraut zu machen und sich, so gut es geht, auf die möglichen Begegnungen vorzubereiten. So sollte man sich beispielsweise bei einer Radreise mit Zelt durch Alaska und Kanada mit einem Bärenspray ausrüsten (Erst vor Ort, denn das Spray darf nicht ins Fluggepäck!). Auch sollte man den Grizzly vom Schwarzbären unterscheiden können, weil die empfohlenen Reaktionen im Fall eines Angriffs deutlich voneinander abweichen. Während man sich beim Angriff eines bis zu 780 kg schweren Grizzly besser auf den Boden fallen lässt und tot stellt, sollte man dem Angriff eines Schwarzbären möglichst viel Gegenwehr entgegensetzen. Wer das verwechselt oder gar versucht wegzulaufen, riskiert ein letztes Mal in die Schlagzeilen zu kommen …

Deutlich wahrscheinlicher als die Begegnung mit einem Bären dürfte für die meisten Radreisenden die Begegnung mit einem oder mehreren Hunden sein, die einem hinterherjagen wenn man an ihnen vorbeifährt. Dabei kommt es immer wieder vor, dass Radfahrer gebissen, schwer verletzt und in Ausnahmefällen von wilden Rudeln sogar getötet werden (berüchtigt sind beispielsweise die Außenrandbezirke von Bukarest). Selbst leichteste Verletzungen können, insbesondere in abgelegenen Gebieten und sofern der Hund mit Tollwut infiziert ist, tödliche Folgen haben. Natürlich wollen die meisten der Hunde „nur spielen“ oder „nur ihren Bezirk verteidigen“, wie mir Hundebesitzer immer wieder versichern.

Wer kein Interesse hat, den auch bekannten Satz „Das macht der sonst nie…!!!!“ zu hören, dem empfehle ich die folgenden drei Maßnahmen, mit denen ich gute Erfahrungen gemacht habe:

a) Wenn sich der Hund aggressiv von vorne nähert, sollte man sich aufrichten, auf ihn zufahren und ihn anbrüllen. Das entspricht meist nicht der Erwartungshaltung des Hundes in der konkreten Situation und führt zumindest vorübergehend dazu, dass er den angesetzten Angriff abbricht.

b) Einen ca. 50 cm langen Wasserschlauch griffbereit mitführen. Wenn die Angriffe so nah kommen, dass man die Hunde mit dem Schlauch erwischt, ist man aus der „Spielphase“ deutlich raus.

c) Auf der kurzen Distanz notfalls Pfefferspray einsetzen. Auf die Windrichtung achten und darauf, dass ein breiter Sprühstrahl mit ausreichend Druck aus der Flasche tritt, damit man nicht zu genau zielen muss.

Da die meisten Angriffe offensichtlich nicht gefährlich sind, hilft meist schon ein Strahl aus der Wasserflasche um die Plagegeister zu erschrecken und sie von ihrer lästigen Verfolgungsjagd abzubringen.

4. Das größte Risiko: der Straßenverkehr

Das mit Abstand größte Risiko des Radreisenden ist die Gefahr, bei einem Verkehrsunfall verletzt zu werden. Weltweit betrachtet bleibt ein Verkehrsunfall in der Altersgruppe der 15 – 29 jährigen die Todesursache Nummer 1, wobei es regional deutliche Unterschiede gibt. So ist beispielsweise das Risiko in Thailand  7x höher als in Deutschland. Gründe für die deutlich höheren Zahlen sind oft Alkohol am Steuer, nicht verkehrssichere LKW und PKW und der verbreitete Hang zum sportlichen und risikoreichen Fahren. Ich kenne allein zwei tragische Fälle von Langzeitradlern, die bei Verkehrsunfällen in Tibet und Thailand ums Leben gekommen sind. In beiden Fällen verloren LKW-Fahrer die Kontrolle über ihre Fahrzeuge und ließen die Radfahrer ohne jede Chance.

LKW in Tibet:

Um das eigene Risiko im Straßenverkehr zu begrenzen empfehle ich auf wenig befahrene Seitenstraßen ausweichen und Großbaustellen zu meiden. Die häufigste Ursache für den Verkehrsunfall ist, dass man nicht gesehen wurde. Es macht also Sinn dies zu verbessern. Es empfiehlt sich eine Warnweste zu tragen und eventuell auch Packtaschen in Signalfarben. Persönlich habe ich mich für schwarze Packtaschen entschieden, weil ich damit unauffälliger mein Zelt aufschlagen kann; die gut sichtbare Warnweste ziehe ich aus, sobald ich die Straße für die Suche nach einem Zeltplatz verlasse. Zudem sollte man bei Dunkelheit niemals ohne Licht fahren!

5) Fazit

Es gibt Länder, in denen man als Radfahrer deutlich höheren Risiken ausgesetzt ist, als dies in Deutschland der Fall ist (Verkehrssicherheit, Entführungsrisiko, Krankheiten, etc.). Gleichzeitig werden viele Gefahren, wie zum Beispiel das Überfallrisiko, deutlich überschätzt. Durch Vorbereitungen wie Impfungen, auffällige Kleidung und das Vermeidung bestimmter Gegenden (Deutschland ist auch nicht in allen Gegenden gleich sicher!) kann man sich vor vielen Risiken gut schützen und potentielle Gefahren deutlich abmildern.

Ich wünsche allen Radfahrern eine gute und sichere Fahrt!