Bolivien

Route: Arica (0 km) – Putre (127 km) – Lago Chungara (183 km) – Tu(r)co (349 km) – Chipaya (467 km) – Challacota (521 km) – Salinas Garci Mendoza (588 km) – Isla Incahuasi (665 km) – Colchani / Palacio Sal Hotel (737 km) – Uyuni (766 km)

Dauer: 3. bis 19. Oktober 2013 (17 Tage)

Gesamtkilometer: 766 km

Gesamthöhenmeter: 10.246 hm

Level:                                   +++++

Landschaft:                          +++++

Versorgung:                         +/++

Budget:                                 +

Zelt/Hotel/Privat:                 5/11/1

Link zur Darstellung auf GPSies

Kurze Länder- und Kulturkunde

Das knapp 8 Millionen Einwohner zählende Bolivien gilt als das Armenhaus Südamerikas; und dies nicht erst seit das rohstoffreiche Land in den Salpeterkriegen (1879 – 1884) seinen Zugang zum Meer an Chile verloren hat. Bolivien steht durchgehend in der Zwickmühle einerseits ausländische Investitionen anzunehmen und damit gleichzeitig verbundene Zugeständnisse bei der Ausbeutung des Landes zu machen.

Politisch hat sich seit der Wahl des Sozialisten und ehemaligen Kokabauers Evo Morales zum Präsidenten im Jahre 2006 einiges im Land verändert. Zum Beispiel werden seit der international umstrittenen Bodenreform im Jahre 2008 mehr als 80 % der Rohstoffe durch den Staat vermarktet und nur noch knapp 20 % durch ausländische Investoren. Von der Zusammenarbeit mit den USA ist man deutlich abgerückt und pflegt heute unter anderem vermehrt Beziehungen zu Kuba, einem Land, dem sich Evo Morales auch ideologisch verbunden fühlt. Evo Morales ist sehr populär und man kann das Land nicht mit dem Rad durchfahren ohne immer wieder auf große Plakate mit seinem Konterfei zu stoßen. Trotz Verbesserungen und weiter vorhandenen, wertvollen Rohstoffen (z.B. Lithium) ist das Land vor allem in den ländlichen, westlichen Gegenden von verbreitetem Wohlstand noch weit entfernt. Neben unzähligen indigenen Sprachen, die inzwischen lokal wieder gefördert werden, spricht die Bevölkerung die Amtssprache Spanisch. Englisch wird im Grunde nur in den wenigen, auf Touristen eingestellten Hotels der Oberklasse gesprochen.

Charakteristik der Tour

Der Großteil der Strecke liegt im sogenannten Altiplano auf Höhen zwischen 3.200 und 4.950 m. Über 90 % der Wege sind nicht asphaltiert. Immer wieder trifft man auf Sand- und Geröllabschnitte, in denen das Rad nur schiebend vorwärts bewegt werden kann. Die Luft ist dünn, trocken und am Nachmittag treten regelmäßig so starke Winde auf, dass man gezwungen wird, vom Rad zu steigen und zu schieben. Tagesetappen von nur 30 bis 40 Kilometern sind auch für gut trainierte Biker in diesen Höhen keine Seltenheit. Die Abstände zwischen spärlich ausgestatteten Versorgungspunkten können bis zu 180 Kilometer betragen, so dass man sicherstellen muss, immer genug Wasser und Lebensmittel mit sich zu führen. Orientierung und Streckenplanung mit guten Karten und / oder GPS ist essentiell.

Gemäß dem „World Economic Forum Report on Global Tourism“ führt Bolivien weltweit die Rangliste der am wenigsten freundlichen Länder gegenüber Touristen an. Tatsächlich hatte ich auf meiner Reise ein paar sehr unerfreuliche Begegnungen, die mir in ihrer Deutlichkeit von meinen bisherigen Reisen her unbekannt waren. Zum Beispiel kam es vor, dass man sich in Restaurants zunächst weigerte, mich überhaupt zu bedienen und dies erst dann und nach wie vor recht unwillig tat, wenn ich mich zum Beispiel einfach in die Küche setze und nochmals betonte, Hunger zu haben (echter Hunger lässt wenig Raum für Stolz …). Erfreulicherweise gab es aber auch ein paar sehr herzliche Begegnungen, die zumindest tröstlich für ein Gegengewicht sorgten. Hilfreich und essentiell für den Zugang zu Einheimischen sind auf jeden Fall Spanischkenntnisse.

Was um Himmel Willen willst du dann dort???“ mag man geneigt sein zu fragen. Die Antwort fällt nicht leicht, wenn man nicht einfach auf ein paar Hauptattraktionen wie z. B. die größte trockene Salzpfanne der Welt, den Salar de Uyuni, oder auf die landschaftlich wunderschöne Lagunenroute verweisen will. Für mich war die Mischung von großer Einsamkeit, körperlichen Herausforderungen und einer überwältigenden Landschaft derart beeindruckend, dass sich diese Tour wie kaum ein anderer Abschnitt meiner Weltreise tief in mein Bewusstsein gegraben hat. Für Einsteiger ist die Tour gänzlich ungeeignet und tatsächlich gefährlich! Definitiv eine Tour für Abenteurer, die schon Erfahrungen auf Radreisen gesammelt haben, körperlich und mental belastbar sind und eine besondere Herausforderung suchen!

Die richtige Jahreszeit

In Bolivien gibt es unterschiedliche Klimazonen. Das Altiplano hat ein recht trockenes Klima mit abnehmenden Niederschlägen von Nord nach Süd. Im Juni / Juli, dem dortigen Winter, kann es sehr kalt werden mit Nachttemperaturen bis -20° C, Tagestemperaturen um den Gefrierpunkt und einem erheblichen Schneefallrisiko. August / September sind meist schon regenärmer, die Tage sind aber noch recht kurz (Sonnenaufgang gegen 7 Uhr, Sonnenuntergang gegen 18 Uhr) und es kann, gemäß auch tagsüber noch so kalt werden, dass einem das Wasser in den Trinkflaschen gefriert. Für die hier ins Auge gefasste Strecke bieten sich deshalb vor allem die regenarmen Monate von September bis November an. Die Tage sind zu dieser Zeit länger und die Temperaturen können tagsüber auch mal jenseits der 20° C liegen. Trotzdem ist in den Höhenlagen jederzeit mit Nachttemperaturen unter dem Gefrierpunkt zu rechnen. Ich habe in einer Nacht im Oktober -12° Celsius gemessen und war für meinen warmen Schlafsack mit zusätzlichem, wärmendem Inlay und mit heissem Wasser gefüllter Alu-Trinkflasche extrem dankbar.

An- und Abfahrt

Entweder radelt man gerade zufällig die Panamericana entlang, dann lohnt sich dieser „Abstecher“ ab Arica (Chile). Wer mit dem Flieger anreist, für den bietet sich der kleine Flughafen bei Arica (Chacalluta International Airport) an. Ich hatte mich, aus San-Francisco kommend, für den kleinen Flughafen in Tacna (Peru) entschieden. Von dort erreichte ich nach nur 30 km die chilenische Grenze; den Küstenort Arica nach weiteren 28 Kilometern über eine leicht abschüssige Strecke. Vorsicht: Die chilenischen Grenzposten sind bei der Umsetzung der Regeln für die verbotene Mitnahme von frischen Lebensmitteln sehr streng. Am Besten auf jede Mitnahme von Lebensmitteln verzichten und sich erst in Arica eindecken.

Am Zielort Uyuni gibt es Flug- und Busverbindungen nach La Paz. Alternativ hat man auch die Möglichkeit mit dem Rad weiter über die Lagunenroute bis nach San Pedro de Atacama zu fahren (das habe ich gemacht) oder sich einer der Jeeptouren anzuschließen, die diese Strecke befahren.

Tourbericht:

Tag 1 (3.10.2013)

Arica bis Zelten auf 2.900 m

75 km / 3.055 Höhenmeter

Gestern Abend bin ich, über die peruanisch-chilenische Grenze kommend, im Küstenort Arica (Chile) angekommen. Nach einer Nacht im einfachen Hostal Jardin del Sol statte ich mich morgens mit 4 Litern Wasser und 200.000 Peso Bargeld aus und breche dann auf. Nach ein paar ruhigen Tagen in San Francisco freue ich mich auf die Abwechslung und die vor mir liegenden Berge. Mein vorläufiges Ziel ist es, in zwei Tagen das chilenische Bergdorf Putre auf 3.500 m zu erreichen. Hier möchte ich mich akklimatisieren, bevor es dann noch höher und über die Grenze nach Bolivien geht.

Statt die Hauptstraße zu nehmen, entscheide ich mich für eine Nebenstrecke durch die Berge, die ich über Google Maps finde. Dazu geht es zunächst 15 km in östlicher Richtung aus der Stadt hinaus bis zum kleinen Örtchen St. Michael. Hier versäume ich es dummerweise, nochmals Wasser nachzukaufen und zu essen (was ich später noch bereuen werde …). In St. Michael biege ich links Richtung Putre ab, das hier noch mit 141 km, statt der 123 km, die Google Maps errechnet hatte, angegeben wird. Aber wir wollen jetzt nicht kleinlich sein…Das lockere Einstiegsprogramm ist ab hier jedenfalls vorbei. Der nun folgende, ca. 5 Kilometer lange und steile Anstieg führt mich in vielen Schleifen und 750 Höhenmetern auf eine wüstenähnliche Hochebene. Während dieser Zeit überholt mich gerade mal ein einziges Auto, was mich in der Auswahl meiner Strecke bestätigt, denn gerade auf der ersten Etappe einer Reise schätze ich es sehr, Ruhe zu haben, um meinen eigenen Takt finden zu können.

Nur noch kurze Zeit komme ich in den Genuss der geteerten Straße, dann beginnt eine raue Schotter- und Wellblechpiste. Auf den nun folgenden, ca. 40 km durch die schroffe Stein- und Sandwüste begegne ich niemandem mehr; kein Auto, kein Mensch! Dafür sehe ich am Wegesrand zahlreiche abgenagte Tierskelette und das eine oder andere aufgestellte Kreuz… Über mir, wohl in der Hoffnung auf ein bisschen Abwechslung auf der Speisekarte, schweben ein paar Geier, die wohl gemerkt haben, dass meine Wasservorräte zur Neige gehen. Teilweise ist der Sand so tief, dass ich das Rad schieben muss. Langsam mache ich mir doch etwas Sorgen …

Am späten Nachmittag erreiche ich endlich eine Anhöhe, von der aus ich die sehnlichst von mir erwartete, recht neue, dunkelschwarz asphaltierte Hauptstraße in der Tiefe entdecke, die durch die Berge bis nach Bolivien führt. Mit knurrendem Magen und leeren Wasserflaschen folgt eine ruppige Abfahrt mit phantastischen Ausblicken auf das im beginnenden Abendlicht erstrahlende tiefrote Gebirge.

Währenddessen der Abfahrt stelle ich mir unentwegt die Frage, ob das im Reiseführer erwähnte Restaurant auf der Hauptstraße schon hinter mir liegt oder noch kommen wird. Ein LKW Fahrer, der mir netterweise etwas Wasser gibt, versichert mir, dass ich in 10 km meiner Fahrtrichtung ein Restaurant finden werde. Daraufhin trete ich weitere 15 Kilometer in die Pedale, bis es schließlich dunkel wird. Nach 75 Tageskilometern und über 3.000 Höhenmetern bin ich mit meinen Kräften und Wasservorräten endgültig am Ende. Am Straßenrand esse ich den letzten Rest meines Tütenlachs aus dem Outdoorstore in San Francisco und ärgere mich, dass ich das Restaurant wohl doch verpasst habe. Umkehren will ich jetzt aber auch nicht mehr.

Unweit der Straße entdecke ich einen passenden Platz für mein Zelt. Während ich, verdeckt durch einen großen Steinbrocken, das Zelt aufschlage, achte ich darauf, dass keiner der vorbeifahrenden LKW-Fahrer mich bzw. den Schein meiner Kopflampe sieht. Zwar halte ich das Risiko überfallen zu werden für nicht sonderlich hoch, muss die Situation für einen potentiell gelangweilten LKW-Fahrer mit etwas krimineller Energie aber auch nicht unnötig als eine Gelegenheit anbieten. Inzwischen ist es ist richtig kalt geworden und deshalb tut es einfach nur gut, als ich mich schon kurze Zeit später in meinen Daunenschlafsack rollen kann. Dankbar bin ich auch für das warme Inlay, das ich mir letzte Woche noch in San Francisco für diese Tour zugelegt habe und das angeblich ca. 10° Celsius zusätzliche Wärme liefern soll (Siehe Ausrüstung). Ich schlafe jedenfalls schnell ein und wache erst wieder auf, als sich nachts irgendetwas mit Gewalt unter mein Zelt drängt und dabei sogar meine Isomatte anhebt! Skorpione, Ratten, eine Schlange? Nach dem ersten Schrecken bin ich dann doch zu müde mich intensiver mit der Situation zu beschäftigen. Ich vertraue darauf, dass nichts durch die dichte Plane meines Zeltes dringen wird und schlafe bald wieder ein.

Lehren des Tages:

  • Immer genug zu Essen und zu Trinken einpacken und jede Gelegenheit zum Nachkaufen nutzen!
  • Traue den Kilometerangaben der Brummifahrer nicht!

 

Tag 2 (4.10.2013)

Zeltplatz auf 2.900 m bis Putre (3.650 m)

52 km / 1.509 Höhenmeter

Als ich am Morgen aus meinem Zelt steige, ist es noch recht kalt und die Sonne steigt gerade erst hinter den Bergen hervor. Mich an die Bewegung unter meinem Zelt erinnernd, werfe ich zuerst einen vorsichtigen Blick unter mein Zelt und halte dabei die Kamera bereit. Nichts! Schade, irgendwie hat mich dann doch interessiert, wer mir da letzte Nacht einen Besuch abgestattet hat.

Ich packe meine Sachen recht flott zusammen, denn zu essen habe ich eh‘ nichts mehr. Das „in die Pedale treten“ fällt leichter als ich es nach dem gestrigen, anstrengenden Tag vermutet habe, obwohl es beständig weiter bergauf geht. Nach ca. 10 km erreiche ich auf 3.100 Höhe eine von Bergen eingeschlossene Hochebene auf der ich nach dem langen Anstieg endlich mal den Druck aus der Pedale nehmen kann. So schon deutlich entspannter unterwegs treffe ich auf das in der Einsamkeit liegende „Pueblo Mallku“ , ein Holzhaus mit einigen kleinen angeschlossenen Schuppen und einem Pavillon. Das außen angebrachte Schild „Breakfast“ zieht mich dabei unwiderstehlich an, denn inzwischen knurrt mein Magen hörbar. Als ich absteige und mich umsehe, erscheint mit weißem Rauschebart der sympathische und gut gelaunte Christo, dem das Pueblo gehört. Auf das Frühstück angesprochen erwähnt er, dass seine Frau gerade nicht da wäre und meint damit offensichtlich meine Frage vollumfänglich beantwortet zu haben. Meine deutliche Enttäuschung zur Kenntnis nehmend, versichert er mir dann aber doch, dass er für mich etwas zusammenstellen würde und bittet mich, im Schatten seines mit im Gaudi-Stil mit bunten Glasscheiben geschmückten Außenpavillon Platz zu nehmen! Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt er aus seinem Wohnraum zurück und bringt mir, über das ganze Gesicht strahlend, einen Teller mit Brot, Käse, 2 Keksen und einer Tasse Kokatee („mate de coca“). Selten hat mir ein Frühstück so gut geschmeckt! 🙂 Anschließend zeigt mir Christo die Anlage des Pueblos mit eigenem Brunnen, Stromversorgung über Sonnenlicht, einer durch Sonnenenergie gespeisten Außenküche von Siemens (!) und riesigen Akkus im Energieraum, die über eine kleine Windanlage gespeist werden. Er lebt hier fast vollständig autark; nur Essen muss er von Arica heranbringen! Als wir uns verabschieden, schenkt er mir einen kleinen Edelstein als Glücksbringer für meine Tour!

Auf dem weiteren Weg nach Putre gibt es nur noch eine weitere Verpflegungsstation in Zapahuira an der Hauptstraße, in der vornehmlich Trucker Halt machen. Inzwischen bin ich auf 3.350 m und wieder ordentlich hungrig, denn so üppig ist das Frühstück dann doch nicht gewesen. Mein Wunsch nach einem vegetarischen Essen wird mit einem ungläubigen und gleichgültigen Schulterzucken beantwortet und dann bekomme ich, wie alle anderen im Lokal, eine Suppe, in der zur geschmacklichen Verfeinerung ein fettummantelter Röhrenknochen schwimmt. Dazu gibt es Kartoffeln und Reis mit Fleischstreifen. Protest ist hier zwecklos. Ich esse die Suppe, verzichte aber auf den Röhrenknochen und die Fleischstreifen. Vegetarier light! Zum Glück bin ich da nicht so empfindlich.

Nach weiteren Höhenmetern mit wundervollen Ausblicken auf die sich immer wieder abwechselnde Stein- und Berglandschaft mit ihren intensiven Farben, erreiche ich schließlich Putre. Die Aufnahme in der vorgebuchten Terrace Lodge (www.terracelodge.com) durch das italienische Pärchen Flavio und Patrizia ist herzlich und die Zimmer sauber und geschmackvoll eingerichtet. Durch das kleine Holzgitterfenster habe ich einen schönen Blick auf die Berge. Hier werde ich die kommenden Tage bleiben, um mich an die Höhe zu gewöhnen bevor es dann weiter nach Bolivien mit Strecken oberhalb von 4.500 Metern über NN geht.

Haus in Putre:

Tage 3 bis 5 (5. – 7.10.2013)

Putre (3.650 m)

Putre ist ein ruhiges 2.000 Seelen Dorf auf 3.650 m am Fuße des Gebirgszuges Nevado des Putre. Hier verbringe ich die kommenden vier Tage und Nächte um mich in der Höhe zu akklimatisieren. Ich lese viel, besuche eine sehenswerte Kirche von 1670 und wandere zu den auf 7.000 Jahre geschätzten Felsmalereien südlich von Putre. Auf diese Weise gewöhne ich mich immer mehr an die dünne Luft in der Höhe. Die anfänglichen Kopfschmerzen und die flache Atmung im Schlaf, alles Auswirkungen der Höhenkrankheit „Soroche“ oder auch „Mal de las alturas“, wie sie in Südamerika genannt wird, nehmen nach und nach ab. Die Verpflegung ist durch einige Restaurants sichergestellt. Mein Favorit ist das rot gestrichene „K’utchu Marka“, das auch vegetarische Speisen anbietet. Daneben gibt es ein paar kleinere Läden, in denen ich mich mit dem Nötigsten für die weitere Reise eindecke (Nüsse, Trockenobst, Wasser). Flavio und Patrizia helfen mit guten Infos zur Umgebung und bieten auch geführte Touren an.

Tag 6 (8.10.2013)

Putre (3.650 m) bis Lago Chungará (4.500 m)

56 km / 2.062 Höhenmeter

Am Morgen lade ich mir über die langsame und immer wieder unterbrochene Internetverbindung in meiner Unterkunft noch eine Bolivien-Landkarte in meine Navigations-App herunter und packe gleichzeitig zusammen. Als ich mich schließlich verabschiede gibt mir Patrizia noch einen Rat mit auf den Weg „Nehme dich vor dem Puma in acht! Der ist extrem aggressiv und es hat auch schon ein paar Angriffe gegeben …!

Meine Tagestour beginnt mit einer autofreien, fein geschotterten Nebenstrecke, die mich über viele, teilweise steile Kehren immer weiter den Berg hinaufführt, bis ich wieder auf die asphaltierte Hauptstraße 11 stoße. Ab nun gehören die mich regelmäßig überholenden oder mir entgegenkommenden LKW wieder zum Straßenbild. Glücklicherweise sind diese aber nicht zu reichlich vorhanden und fahren, entgegen vieler Warnungen, die ich vorher erhalten hatte, recht langsam und umsichtig an mir vorbei. Es geht höher und höher hinauf. 4.000 m, 4.100 m, 4.200 m, … Ich lasse es langsam angehen, trete gleichmäßig im kleinen Gang und kann trotzdem nicht verhindern, dass die Kopfschmerzen, die ich Putre erfolgreich losgeworden war, wiederkommen. Auf Teilabschnitten schiebe ich mein Rad, um den Puls noch weiter herunter zu bringen und die Kopfschmerzen in den Griff zu bekommen. Die wunderschönen Ausblicke auf die schneebedeckten Berge des Lauca National Park und die Lamas entlang der Strecke entschädigen mich reichlich.

Auf der einzigen Abfahrt bei 4.300 m habe ich hinten plötzlich einen platten Reifen. In meinem Kopf hämmert es und irgendwie habe ich jetzt gar keine Lust auf einen Schlauchwechsel, jede Bewegung fällt mir schwer! Zu allem Überfluss muss ich leider feststellen, dass das Ventil des Schlauches angerissen ist und ich daher einen meiner 2 Ersatzschläuche schon hier, also am Anfang der Tour, opfern muss. Ich nehme mir vor, nach einem weiteren Ersatzschlauch Ausschau zu halten (ein Plan der an der hier gebräuchlichen Ventilgröße später scheitern wird …).

Reifenwechsel mit Kopfschmerzen:

Um 20 Uhr, mit Einbruch der Dunkelheit, erreiche ich schließlich den Lago Chungará. Von einer Anhöhe auf 4.700 m sehe hinab und beobachte einen atemberaubenden Sonnenuntergang über dem See. Sofort wird es bitterkalt und für die Abfahrt zum See ziehe ich mir Mütze, Handschuhe und meine gefütterte Jacke an, um dem eisigen Wind zu widerstehen. Als ich die Hauptstraße verlasse und über eine Schotterpiste zum Refugio am See fahre, ist es bereits stockdunkel. Wie erwartet ist es geschlossen und niemand zu Hause! Der Platz eignet sich aufgrund der schützenden Mauern allerdings hervorragend, um mein Zelt aufzuschlagen, was ich dann auch gleich in die Tat umsetze. Anschließend ziehe ich mich erschöpft und ohne Abendessen in mein Zelt zurück, um den eisigen Winden zu entgehen. Jetzt will ich nur noch schlafen.

Tag 7 (9.10.2013)

Lago Chungará (4.500 m) bis Zeltplatz im Karstgestein (4.200 m)

78 km / 749 Höhenmeter

Nachts wache ich mit einem unbeschreiblichen Durst auf. Als ich den Kopf aus dem Zelt stecke pfeift draußen ein eiskalter Wind. Das Wasser in meinen Trinkflaschen ist gefroren. Es hilft alles nichts, denn ich spüre, dass ich jetzt dringend etwas trinken muss. Also setze ich mich um 4 Uhr vor mein Zelt, zünde den Benzinkocher an und schmelze nach und nach den Eisblock in meiner Trinkflasche. Inzwischen meldet sich aufgrund des ausgefallenen Abendessens auch mein Magen mit einem deutlichen Knurren. Zu einem leckeren halben Liter heißen Wassers gibt es schließlich Trockenfrüchte und Nüsse. Köstlich! Über mir ein traumhaft schöner, sternenklarer Himmel und vom See höre ich das Schreien der Vögel. All das lässt mich für kurze Zeit die Kälte vergessen, an die ich mich noch nicht recht gewöhnt habe. Ich schätze die Temperaturen auf ca. -12° Celsius als ich mich, nach ein Paar Liegestützen zum Anheizen der Körpertemperatur, wieder in meinen Schlafsack begebe. Denn ein Schlafsack wärmt nicht; er isoliert nur.

Als ich ein paar Stunden später wieder aufwache, fallen bereits ein paar wärmende Sonnenstrahlen auf mein Zelt, das noch mit Reif überzogen ist. Das Ufer des Lago Chungará ist gerade einmal 30 Meter von meinem Zelt entfernt. Während ich mein Frühstück zubereite, die Ruhe und den Blick auf den See sowie den Vulkan Parinacota (6.200 m) genieße, gesellt sich neugierig ein kleiner Vogel zu mir und leistet mir Gesellschaft. Die Kopfschmerzen sind weg und ich lasse es langsam angehen. Während ich auf meiner Isomatte liege und mir in der Sonne ein paar Reisenotizen mache ist mir klar, dass etwas passiert ist: Ich bin wieder ganz „im Reisen angekommen“, im Hier und Jetzt!

Nach dem Zusammenpacken und meinem Aufbruch entdecke ich nur wenige hundert Meter weiter an der Hauptstraße eine Touristeninformation, bei der ich meine Wasservorräte kostenlos auffüllen kann, nachdem ich erst einmal meinen Durst gestillt habe. Wieder 3,5 Liter frisches Wasser! Das fühlt sich für die Weiterfahrt gut an!

Am Ende des Sees erreiche ich die chilenische Zollabfertigung. Von Bolivien aus reihen sich die LKW am Ufer des Lago Chungará über viele Kilometer auf. Für mich gibt es hier nichts zu tun und ich werde einfach durch gewunken. Der offizielle Grenzübergang erfolgt für mich erst 15 km später. Auch dieser kündigt sich durch eine lange Warteschlange von LKW an, die sich nun von der chilenischen Seite kommend aufreihen, um nach Bolivien zu gelangen. Hier sieht man deutlich, dass Chile für Bolivien, trotz aller Differenzen, der mit Abstand größte Handelspartner für den Import von Produkten ist. Ich nehme mir in der Erwartung, dass die Grenzbeamten hier deutlich entspannter sind als in den USA, die Freiheit, an der Schlange vorbeizufahren. Vorne angekommen werde ich freundlich zur Seite gebeten und in einen Raum zur Passkontrolle geführt. Der chilenische Beamte hinter der ersten Scheibe fragt nach meiner Reise und macht mir nach meiner Erklärung, dass ich mit dem Rad unterwegs sei, lächelnd und leicht kopfschüttelnd einen Stempel in den Pass. Der bolivianische Beamte, der den Schalter nebenan besetzt, lässt mich einen grünen Zettel ausfüllen, gibt mir einen Abschnitt davon zurück, macht mir mit sehr viel Umsicht 2 Stempel in den Pass und trägt mein Einreisedatum ein (Tipp: Auf gute Lesbarkeit achten! Wenn das Datum nicht lesbar sein sollte, kann es bei Kontrollen und der Ausreise großen Ärger geben!). Das war’s; ich bin durch!

Die LKW – Warteschlange vor der Zollabfertigung:

Der Grenzort Tambo Quemado hat einen etwas rustikalen Charme und lebt offensichtlich nur von den durchfahrenden, bzw. stundenlang anstehenden LKW-Fahrern, die hier noch etwas einkaufen, essen oder übernachten. Nachdem man sich in einem Restaurant mit „umwerfenden Charme“ weigert, mir etwas zu Essen zu servieren, decke ich mich mit frischem Wasser, ein paar Keksen und etwas Obst ein und dann geht es gleich weiter.

Die mich nun umgebene Landschaft ist wie aus einer anderen Welt. Grenzenlose Steppe und zur linken Seite immer wieder der Blick auf den majestätischen Sajama, den mit 6.542 m höchsten Berg Boliviens im gleichnamigen Nationalpark. Ich passiere auch das Bergsteiger-Basecamp, das direkt an der Hauptstraße liegt und in dem es einfache Unterkünfte und Verpflegung geben soll. Trotz der Höhe von 4.000 bis 4.700 m geht es für mich heute gut voran und die Kopfschmerzen sind weg.

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit mache ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Zeltplatz für die Nacht und entdecke schließlich eine schöne Karststeinformation oberhalb der Straße. Ich verstecke mein Rad und erkunde den Platz genauer. Perfekt! In 3 Fuhren bringe ich die Gepäcktaschen und das Rad auf den Hügel und kann dann im Lichte eines traumhaften Sonnenuntergangs mein Zelt in einer windgeschützten Ecke aufbauen. Ich bin gespannt, ob es heute Nacht wieder so kalt werden wird… schließlich bin ich immer noch auf 4.200 m!

Tag 8 (10.10.2013)

Zeltplatz im Karstgestein (4.200 m) bis Turco (3.850 m)

88 km / 846 Höhenmeter

Die heutigen Nachttemperaturen waren deutlich milder als gestern, was auch daran gelegen haben mag, dass mein Zeltplatz aufgrund der um mich herum aufgetürmten Karstfelsen extrem gut vom Wind abgeschirmt war. Auch von den unterhalb auf der Hauptstraße vorbeifahrenden LKW habe ich kaum etwas gehört. Als ich früh um 6 Uhr aus meinem Zelt steige fühle ich mich ausgeruht und erfüllt von Energie für den vor mir liegenden Tag. Dies liegt zum einen daran, dass ich schon gegen 22 Uhr die Leselampe in meinem Zelt ausgemacht hatte und dann sofort eingeschlafen war. Zum anderen habe ich inzwischen meinen Reiserhythmus gefunden und die überwältigende Landschaft mit ihrem intensiven Farbenspiel macht einfach Lust auf mehr. Ich nutze die frische Morgenluft für ein paar Yogaübungen und packe dann zusammen.

Von nun an wechselt die Landschaft ständig von grenzenlosen Steppen mit Wüstengras über Karstgestein zu Canyons, wie ich sie bisher nur in den USA gesehen habe. Mittags treffe ich auf ein Pärchen aus Südtirol, das mir auf ihren Rädern entgegenkommt. Sie sind vor 3 Tagen in La Paz losgefahren und jetzt auf dem Weg zum Basislager des Vulkan Sajama, um diesen zu besteigen. Sie sind heilfroh, La Paz schnell hinter sich gelassen zu haben und damit dem Trubel entgangen zu sein. Die beiden sollen die einzigen Radfahrer bleiben, die ich auf meinem Bolivientrip treffen werde.

Am frühen Nachmittag erreiche ich das Garnistionsstädchen Curahuara de Carangas. Da weder das Dorf noch das hier befindliche „Hostel Kory Wara“ einen sonderlichen Charme aufweisen, ich mich fit fühle, es noch recht früh ist und es bis zum Dorf Turco „nur“ noch 50 km sind, breche ich nach einem schnellen Süppchen am Hauptplatz auf. Ein „Nachschlag“ wird mir von den Damen am Hauptplatz übrigens verweigert, obwohl ich dafür ausdrücklich Geld anbiete…

Der nun folgende Abschnitt über einsame Feldwege lässt sich zunächst recht gut befahren. Ein paar Höhenmeter sind schon zu bewältigen, aber selten wird es richtig steil; nur einmal steigt die Strecke auf 4.200 m an. Die zu überquerenden Flussläufe sind in der ersten Hälfte alle trocken. Eine tolle Strecke mit vielen Canyons, Karstfelsen in den unterschiedlichsten Formen, großen Steppengraswiesen mit unzähligen Lamas und verlassenen Lehmziegelhütten ohne Fenster und Dach.

Dann entdecke ich frische Pumaspuren im Sand genau auf meiner Wegstrecke und fühle mich an die Warnung von Patrizia in Putre erinnert. Bekannt sind Pumas dafür, dass sie ihrer Beute auflauern und sie bevorzugt von oben anspringen. Die vielen Karstfelsen entlang des Weges scheinen dafür eine ideale Ausgangslage zu bieten. Als Vorsichtsmaßnahme nehme ich mir vor, die Augen aufzuhalten, die Felsen möglichst weitläufig zu umfahren und stecke mir außerdem das Pfefferspray in meine Radhose und mein Messer in den Hosenbund. Damit sollte ich im Ernstfall ganz gut für das gerüstet sein, was Experten bei einem Angriff raten: Extreme Gegenwehr! Zur Anwendung kommen meine Verteidigungsmittel zum Glück nicht, denn ich bekomme den Puma auch in den folgenden Tagen nicht zu sehen.

Nach und nach mehren sich die sandigen Abschnitte und es folgen mehrere „nasse“ Fluss- bzw. Bachüberquerungen. Die Strecke ist immer wieder durch einen Drahtzaun mit vielen bunten Fähnchen abgesperrt. Wie mir ein vorbeifahrendes, freundliches (ja, das gibt es hier auch) bolivianisches Pärchen versichert, dienen diese leicht zu öffnenden Absperrungen aber nur dazu, die Lamas in ihrem jeweiligen Bereich zu behalten. Man darf den Drahtzaun zur Durchfahrt öffnen und wird nur gebeten, ihn hinterher wieder zu schließen.

Eine kurze Pause:

Am Nachmittag ziehen erste dunkle Regenwolken vorbei; vom Regen bleibe ich aber zum Glück verschont. Die letzten 15-20 km bis Turco fahre ich auf einer flachen, extrem harten Wellblechpiste, die keinen rechten Spaß macht. Bei einem der vielen Versuche, die am besten fahrbare Spur zu finden, rutscht mein Vorderreifen im Sand zur Seite, ich bekomme den Schuh nicht rechtzeitig aus der hakenden Klick-Pedale und stürze wie ein gefällter Baum auf die Seite. Nichts wildes, nur ärgerlich, dass ich seitlich auf den Oberschenkel falle, wo ich mein Pfefferspray verstaut habe (das ich am Nachmittag dann doch noch zur Abwehr eines sehr aggressiven Schäferhundes im Gebrauch hatte). Das wird dann später einen schönen, blauen Fleck geben …

Mit Einbruch der Dunkelheit erreiche ich das kleine Städtchen Turco. Jetzt rächt es sich, dass ich der Aussage aus dem Reiseführer „Der USD ist die Zweitwährung in Bolivien“ ungeprüft Glauben geschenkt und mich mit chilenischen Pesos und USD im Gepäck nicht nach weiteren Umtauschmöglichkeiten umgeschaut habe. Keiner ist bereit, meine USD anzunehmen oder Geld zu tauschen. Zum Glück kann ich im Restaurant mein Essen noch mit den wenigen Bolivianos zahlen, die ich zuletzt als Wechselgeld an der Grenze erhalten habe. Ich checke in einem sehr einfachen Gasthaus in der Hoffnung ein, dass sich später noch eine Lösung für den Umtausch finden wird; um 20:00 Uhr möchte ich jedenfalls nicht vor dem riesigen, mit NATO-Draht gesicherten Tor (wovor haben die Angst?) stehenbleiben und die Unterhaltung über die Aufnahme mit einem „Geldwechselproblem“ eröffnen. Jetzt bin ich müde und freue mich auf eine Dusche.

Später, nach der eiskalten Dusche im dunklen Kellerraum, kann ich das ältere Gastgeberpärchen tatsächlich dazu überreden, mir USD 20 zu wechseln. Bei meinen bisherigen Ausgaben von ca. USD 5 pro Tag werde ich damit ein gutes Stückchen weiterkommen und bis dahin hoffentlich eine neue Gelegenheit zum Geldwechseln finden!

Tag 9 (11.10.2013)

Turco (3.850 m) bis Zelten vor Huachacalla (3.750 m)

61 km / 195 Höhenmeter

Den Morgen nutze ich zunächst dazu, mich mit etwas Proviant, Obst und Wasser einzudecken, denn zwischen Turco und dem nächsten Dorf liegen etliche Kilometer und vor allem viel Sand. Dann suche ich den kleinen Fahrradladen im Dorf auf. Wie befürchtet, bekomme ich hier keinen Schlauch mit zu meinen Felgen passenden Presta-Ventilen. Das Aufbohren meiner Felge stellt mich keine Alternative dar; ich vertraue jetzt einfach mal darauf,  dass ich es mit meinem letzten Ersatzschlauch bis Chile schaffen werde.

Mithilfe meines Kompasses und den aus dem Internet gezogenen GPS-Informationen habe ich mich an die Stelle des Ortsrandes begeben, an der angeblich der Weg beginnen soll. Ich sehe einen höchstens als sandigen Feldweg zu bezeichnenden Weg und bin mir unsicher. Vergeblich suche ich nach Hinweisschildern und frage deshalb einen Anwohner, der mir bestätigt, dass ich auf dem richtigen Weg sei. Vorbei geht es an mit Stacheldraht eingezäunten riesigen Flächen mit Wüstengras, viel Sand und ein paar Lamas. Keine Wolke ist am Himmel und die Luft ist trocken. Die ersten paar Kilometer rollt es sich wunderbar und ich begegne nur wenigen Menschen. Nur vereinzelt treffe ich auf eine Ansammlung mehrerer Steinhäuser mit zugehöriger Brunnenanlage; alles scheint verlassen. Als ich schon anfange, mich auf einen entspannten Radtag einzustellen, wird die Strecke immer sandiger und schließlich muss ich immer öfter schieben. Zweimal erreiche ich eine Kreuzung, ohne dass es Hinweise darauf geben würde, in welche Richtung es für mich weitergehen könnte. Ich folge der Kompassnadel und gelange so schließlich zu einer riesigen Sanddüne, die mir den Weg versperrt. Ist das der richtige Weg? Den Wagenspuren nach zu urteilen, sind hier auch die Jeeps umgekehrt. Großartig! Ich besteige die Düne und kann in ca. 150 Meter Entfernung hinter der Düne den Weg ausmachen. Was folgt, ist eine ca. halbstündige Schiebe- und Tragepassage, die mir in der dünnen Luft alle Kräfte abverlangt und bei der ich mir mehrmals fluchend die Frage stelle: „Was mache ich eigentlich hier!???“

In der Folge überquere ich auch noch einen breiten, mit nur wenig Wasser gefüllten Flusslauf und erreiche schließlich die schon vorher ausgeschilderte Ortschaft Berlin Central. Der kleine Ort mit dem für Deutsche bemerkenswerten Namen besteht aus ein paar Hütten, die um einen Hauptplatz herum angesiedelt sind und deren Türen alle mit einem Schloss gesichert sind. Kein Mensch ist zu sehen und mit inzwischen heftiger gewordenem Wind werden, wie in einem Sergio Leone – Film, ein paar Wüstengrasbüschel über den Hauptplatz gefegt. Kurze Zeit später fliegt mir irgendetwas ins Auge, woraufhin ich kaum noch etwas sehen kann und mit schmerzendem Auge nur noch bis an den Rand eines Salzsees fahre. Mit der einsetzenden Dämmerung bin ich froh, dort auf einer Sanddüne hinter einigen Büschen einen guten Platz für mein Zelt zu finden. Nachdem ich das schmerzende Sandkorn endlich aus meinem Auge entfernt habe, kann ich auch den wunderschönen Sonnenuntergang über dem Salzsee genießen bevor ich mich in mein Zelt zurückziehe.

Tag 10 (12.10.2013)

Zelten vor Huachacalla (3.750 m) bis Chipaya (3.675 m)

57 km / 489 Höhenmeter

Schon beim Aufwachen ist mir klar, dass mich nun doch Montezumas Rache ereilt hat. Ich habe das Gefühl, kaum noch Kraft zu haben. Selbst das Zusammenpacken fällt mir schwer. Wie sehr würde ich mich jetzt über ein warmes Bad, ein leckeres Essen und ein bequemes Bett freuen. So etwas in dieser Abgeschiedenheit zu finden ist eher unwahrscheinlich, aber mal sehen, was das nur ein paar Kilometer entfernt liegende Huachacalla zu bieten hat!

Kurz nach meinem Aufbruch geht es aber erst einmal wieder durch einen tiefsandigen Abschnitt und über eine Düne bevor ich die erste geteerte Straße seit Tagen zu Gesicht bekomme und auf dieser kurze Zeit später die triste Garnisonsstadt Huachacalla erreiche. Ich drehe eine Runde durch die schachbrettartig angelegenen Gassen, kann aber kein Hotel finden und auf meine Nachfrage erhalte ich auch die Auskunft, dass es hier keine Unterkunft gäbe. Nach einer kleinen Mahlzeit kehren zu meinem Erstaunen meine Kräfte zurück und ich freue mich, Huachacalla mit vollen Wasserflaschen wieder verlassen zu können. Über einsame, sandige, aber gut befahrbare Pisten und eine Brücke geht es von hier weiter bis nach Chipaya, das ich aufgrund eines am Nachmittag einsetzenden Sturms erst bei Dunkelheit erreiche.

In Chipaya habe ich meine schönste Begegnung in Bolivien: Zwei junge Bauarbeiter, Alex und Pepe, laden mich bei meiner Suche nach einer Unterkunft in ihre sehr bescheidene Bauhütte ein und bieten mir dort ein noch freies, drittes Feldbett an. Beim Betreten der Hütte sehe ich gerade noch eine Ratte unter „meinem“ Bett verschwinden … Während wir gemeinsam Brot essen und dazu ein paar Eier kochen unterhalten wir uns, so gut dies per Wörterbuch geht. Alex und Pepe kommen aus der größeren Stadt Oruro, haben beide eine Familie und sind die Woche über hier in Chipaya um zu arbeiten. Am Wochenende fahren sie dann wieder zu ihren Familien. Ohne Zweifel halten sie mich für verrückt, weil ich mit dem Rad freiwillig in dieser lebensfeindlichen Gegend unterwegs bin und dies auch noch alleine unternehme! Meine Motive zu erklären ist schon in der westlichen Zivilisation schwierig; hier fast unmöglich. Am Ende ist es für mich ganz in Ordnung für ein bisschen verrückt gehalten zu werden. Als ich müde werde ziehe ich mich mit einem „Buenas noches!“ zurück und rolle mich auf der gemütlichen Matratze in meinen Schlafsack um schon Sekunden später vom Schlaf übermannt zu werden. Ich wache in der Nacht nur noch einmal auf als die Ratte sich die von unserem Abendessen übrig gebliebenen Kekse geräuschvoll schmecken lässt. Besser die Kekse als meine Ausrüstung!

Mein Nachtlager bei Alex und Pepe:

Tag 11 (13.10.2013)

Chipaya (3.675 m) bis Challacota (3.675 m)

54 km / 211 Höhenmeter

Am nächsten Morgen wechseln mir zu meiner Freude Alex und Pepe noch ein paar USD in Bolivianische Peso und ich gebe ihnen einen sehr großzügigen Umtauschkurs, weil die beiden jede andere Gefälligkeit meinerseits, wie z. B. eine Einladung zum Frühstück, ablehnen. Bevor wir uns verabschieden, besteht Alex noch auf ein paar Fotos mit meinem Rad und meinem Hut, der ihm ausnehmend gut zu gefallen scheint. Vielleicht konnte ich ihn von meiner Idee des großen Radabenteuers ja doch begeistern 😉

Weiter geht es dann auf größtenteils gut befahrbaren Sand- und Geröllpisten einer Hochebene. Nachdem ich am Ortsrand einen Bach überquere, muss ich mich erneut einem platten Reifen widmen. Zum Glück ist nur ein Loch im Schlauch; das Ventil ist intakt. Während ich mich an der digitalen Karte von „Open Street Map“ orientiere, muss ich einige Kilometer später feststellen, dass die eingezeichnete Strecke so jedenfalls nicht existiert und dass ich mich verfahren habe. Um mich herum sehe ich nichts als Steppe und in der Ferne den einen oder anderen vereinzelten Lamahirten. Nachfolgend verliere ich viel Zeit bei der Suche nach dem richtigen Weg bis ich erst nach ein paar Mal nachfragen wieder zurück auf die Hauptstrecke finde.

Ohne an diesem Tag besonders weit gekommen zu sein, erreiche ich am Nachmittag das verlassen wirkende Örtchen Challacota. Ein Restaurant und eine offizielle Unterkunft scheint es hier nicht zu geben, dafür eine trutzige Steinkirche und ein etwas überdimensioniert wirkendes, überdachtes Basketballfeld. Da die nächste Ortschaft noch ein gutes Stück entfernt liegt und dunkle Wolken aufziehen, entscheide ich mich, hier mein Lager aufzuschlagen. Wo genau wird sich noch ergeben. Mit diesem Vorsatz packe ich am Brunnen des menschenleeren Hauptplatzes meine Kochsachen aus, fülle meine Wasserflaschen auf und bereite mir mein Abendessen zu. Währenddessen stößt Nelson zu mir, ein bolivianischer Junge von ca. 8 Jahren, der mein Tun genauestens und völlig fasziniert beobachtet. Wir beide kommen gleich gut miteinander klar, weil Nelson nämlich auch ein Fahrrad hat, das er mir stolz präsentiert. Obwohl ich außer Nelson niemanden sehe, habe ich das Gefühl, dass meine Anwesenheit im Dorf nicht unbemerkt geblieben ist. Mein Gefühl trügt mich nicht, denn kurze Zeit später kommt eine kleine, sehr offiziell wirkende und von einer älteren Frau in Würde geführte Delegation zu mir und lädt mich freundlich ein, in einer kleinen Baracke gegenüber des neu eröffneten Wahlbüros zu übernachten. Ich stimme erfreut zu und baue in dem kleinen Raum mein Zelt auf, was allgemein für Heiterkeit sorgt. Die mir angebotene Matratze lehne ich mit freundlichen Worten ab, da sie mir über zu viel potentielles Eigenleben verfügt, mit dem ich lieber nicht in Kontakt treten möchte. Insbesondere in Anbetracht der aufkommenden Regenwolken, die gleich auch zu einem erheblichen Absinken der Temperaturen führen, freue ich mich über ein festes Dach über dem Kopf, dass mich vor den eisigen Winden schützten und mir morgen früh den Zusammenbau eines nassen Zeltes ersparen wird.

Tag 12 (14.10.2013)

Challacota (3.675 m) bis Salina Garci Mendoza (3.750 m)

67 km / 469 Höhenmeter

Da ich gestern schon früh „zu Bett“ gegangen bin, wache ich früh wieder auf und packe bereits um 6 Uhr meine Sachen zusammen, während im Dorf noch alles ruhig ist. Ich nehme mir noch Zeit für ein kleines, warmes Frühstück auf dem Benzinkocher versorge mich mit ausreichend frischem Wasser vom Brunnen. Zur Sicherheit filtere ich das Wasser dann noch mit meinem Handfilter. Das ist zwar etwas mühsam, bewahrt mich aber hoffentlich davor, dass meine Magen- und Darmprobleme schlimmer werden. Es ist immer noch bewölkt und die Tagestemperaturen sind deutlich gesunken als ich mit Windjacke, Handschuhen und Mütze ausgerüstet aufbreche.

Die heutige Tagestour ist eine echte Quälerei. Auf Teilstrecken muss ich mein Rad stundenlang und kräftezehrend durch tiefen Sand schieben; immer in der Hoffnung, dass hinter der Wanderdüne der Schotterweg weitergeht. Dass mein Magen immer noch nicht ganz mitspielt, macht die Sache nicht leichter. Zum Glück regnet es trotz der bedrohlich dunklen Wolken nicht, denn das hätte die Etappe noch um einiges härter gemacht. Nach den letzten Kilometern auf einer harten Waschbrettpiste erreiche ich schließlich das recht charmant wirkende Städtchen Salinas Garci Mendoza, das über alle Versorgungseinrichtungen verfügt. Hier finde ich für umgerechnet EUR 3,20 eine bescheidene und saubere Bleibe im einzigen Hotel am Hauptplatz. Nach der eiskalten Dusche (ich hatte etwas naiv auf eine warme Dusche gehofft…) bekomme ich nebenan in einem Restaurant sogar noch etwas zu essen und ein leckeres bolivianisches Bier. Ein schöner, geradezu luxuriöser Ausklang des Tages.

Tag 13 (15.10.2013)

Salina Garci Mendoza (3.750 m) bis Isla Incahuasi (3.675 m)

77 km / 330 Höhenmeter

Das Schlafen in einem Bett hat zur Abwechslung sehr gut getan und die Aussicht darauf, heute den berühmten Salar de Uyuni zu sehen und zu befahren, beflügelt mich am frühen Morgen. Als ich aufbreche ist kein Wölkchen am Himmel zu sehen. Kurz nach dem Ortsausgang von Salina Garci Mendoza beginnt eine Salzebene, die mir einen ersten Vorgeschmack auf den Salar de Uyuni gibt. Immer mit Blick auf die Berggruppe und den über 5.300 m hohen Vulkan Tunupa zu meiner Rechten geht es schnurgerade über die Salzkruste, wissend, dass mich der Salar de Uyuni auf der anderen Seite des Bergkamms erwartet. Übrigens wirkt der Vulkan nicht ganz so hoch, wie man dies aufgrund der absoluten Höhe annehmen könnte, denn er ragt gerade einmal knapp 1.600 m über die fast 3.700 m hohen Ebene hinaus, die ich gerade befahre. Am Ende des kleinen Salzsees erreiche ich ein Dorf und fahre von dort über einen Schotterweg auf eine Anhöhe, von der ich zum ersten Mal den sagenhaften Salzsee Salar de Uyuni in seiner ganzen majestätischen Größe unter mir liegen sehe.

Zunächst rolle ich aber noch nach Jirira, ein Dorf am Rand des Salar hinunter. Mein Versuch, hier in einem Gasthaus zur Mittagszeit etwas zu essen zu bekommen, scheitert kläglich. Man teilt mir mit, dass es erst abends etwas zu essen gäbe , die Küche sei geschlossen. Ich entscheide mich daraufhin, weiter zu fahren und befinde mich kurz darauf auf dem Salar de Uyuni. Dieser gigantische Salzsee, dessen richtige Bezeichnung eigentlich „Salzpfanne“ ist, weil sich unter der bis zu 30 Meter dicken Salzkruste noch ein bis zu 120 Meter tiefer See verbirgt, hat eine Ausdehnung von 160 x 135 km. Dies macht eine Orientierung zu einer echten Herausforderung. Ich koche mir auf dem Salar mein Mittagessen und lasse das überwältigende Panorama auf mich wirken. Dann setze ich mir mithilfe von Kompass und Digitalkarte einen Zielpunkt am Horizont, an dem ich mich in den kommenden Stunden ausrichten werde und auf dessen Weg ich auf mitten auf dem Salar liegende kleine Insel „Isla Incahuasi“ zu treffen hoffe.

Die nun folgende Fahrt über den Salar de Uyuni ist phantastisch. Unter meinen Reifen knarzen die Salzkristalle wie harter Schnee während ich mir schnurgerade meinen eigenen Weg über den Salar bahne. Als am Nachmittag starke Winde auftreten, reduzieren diese meine Geschwindigkeit so erheblich, dass es irgendwann dunkel wird und die Isla Incahuasi sich zwar schon in ihren Umrissen vom Salar abhebt, aber immer noch weit entfernt scheint. Ich bin allerdings so von dem Erlebnis der Fahrt über den Salar berauscht, dass mich das gar nicht stört. Im Schein des Vollmondes und der Frontlampe meines Rad fahre ich weiter und genieße die frische Luft (Tipp: Ohne Licht sollte man nicht über den Salar fahren, weil dieser auch einige Löcher aufweist!).

In der Ferne sehe ich einen Pkw vorbeifahren und stutze als ich merke, dass dieser seinen Kurs plötzlich verändert und nun geradewegs auf mich zufährt. Aus Sicherheitsgründen (Überfälle, insbesondere auf Alleinreisende und in touristischen Gebieten, haben in Bolivien in jüngster Zeit stark zugenommen) schalte ich meinen Frontscheinwerfer aus und setze dann meine Fahrt im Mondschein fort. Tatsächlich bleibt das Auto kurze Zeit später stehen und dann sehe ich wie die Scheinwerfer wieder abdrehen.

Erst gegen 21 Uhr erreiche ich die Isla Incahuasi, eine mit Kakteen bewachsene kleine Insel mitten auf dem Salar de Uyuni. Für knapp 3 EUR darf ich in einem großen, recht ordentlich wirkenden Raum des Refugio auf einer Matratze übernachten. Bevor ich mich dort aber breitmache (denn ich bin der einzige Gast) gehe ich schnell rüber zum nebenan gelegenen Restaurant Mongo. Das junge, unmotivierte Pärchen lässt sich nach etwas Überredung dazu überreden, mich zu bedienen, so dass ich sogar noch etwas zu essen bekomme, bevor ich müde, aber beseelt von der schönen Tagestour einschlafe.

Tag 14 (16.10.2013)

Isla Incahuasi (3.675 m) bis Colchani / Palacio del Sal Hotel (3.650 m)

72 km / 193 Höhenmeter

Am nächsten Tag stehe ich früh auf und beobachte von einer Erhebung der Isla Incahuasi aus einen gigantischen Sonnenaufgang über dem Salar de Uyuni. Die ersten Jeeps mit Touristen sind auch schon da und bereiten für ihre Gäste ein Frühstück vor. Viele von ihnen werden später zur Lagunentour aufbrechen, die ich als zweiten Teil meiner Bolivienreise mit dem Rad ebenfalls befahren werde.

Nachdem ich die Isla Incahuasi hinter mir gelassen habe, schieße ich noch ein paar Fotos, die sich aufgrund der unendlich wirkenden Weite der Salzkruste und der sich daraus ergebenden Perspektive anbieten und die es in vielen, witzigen Varianten zu finden gibt.

Am Nachmittag erreiche ich nach einer entspannten, 70 km langen Tour über die ausgefahrene, glatte Spur des Salar des Uyuni das an seinem Rand gelegene Salz-Hotel bei Colchani. Das stylische Palacio del Sal besteht aus Salzblöcken, ist modern und großzügig ausgestattet und bietet mir einen herzlichen Empfang. Der Kontrast zu den vergangenen Tagen könnte nicht größer sein: es gibt warme Duschen, saubere Betten, Internet, einen Concierge der Englisch spricht und leckeres Essen!

Tage 15 – 17 (17. – 19.10.2013)

Colchani / Palacio del Sal Hotel und Uyuni (3.650 m)

72 km / 248 Höhenmeter

Im Palacio del Sal bleibe ich drei Nächte. Das Hotel hat neben seiner Lage und neben ungewöhnlichen Bau bzw. Baumaterialien eigentlich nicht viel zu bieten und wird daher von Durchreisenden meist nur für eine Übernachtung gebucht, bei der es abends mit großer Inszenierung die berühmten Salzhähnchen zu essen gibt. Für mich ist das Palacio del Sal ein Ort der Ruhe, in dem ich mich wieder hochpäppeln kann, denn ich habe in den letzten 10 Tagen knapp über 7 Kilogramm Gewicht verloren und brauche dringend eine Pause bevor ich zum zweiten Teil meiner Bolivienreise, zur anspruchsvollen Lagunenroute, aufbrechen werde. Gleichzeitig bietet der Internetempfang im Hotel endlich wieder die Gelegenheit mit zu Hause zu skypen, meine E-Mails zu lesen und einen aktualisierten Reisebericht auf meinen Reiseblog hochzuladen.

Der Ort Colchani selbst bietet dem durchreisenden Touristen rein gar nichts. Beim meinem Versuch, in einem kleinen Laden einzukaufen wird mir signalisiert, dass man mir nichts verkaufen möchte und die Besitzerin schlägt mir zur Unterstreichung ihrer Worte die Tür vor der Nase zu. Leider bietet das Salz-Hotel auch kein Mittagessen an, so dass ich mich auch deshalb für einen Abstecher ins 29 km entfernte Uyuni entscheide, um mich dort mit Lebensmitteln einzudecken, dem reichlichen kulinarischen Angebot zu frönen und meine Wäsche waschen zu lassen. Eigentlich wollte ich mir dort auch den Ausreise-Stempel holen, wie dies der Rad-Reiseführer für Lateinamerika von 2007 noch als notwendig angibt. Das hat sich aber geändert. Schon ein Schild an der Tür der Behörde weist nun darauf hin, dass man seinen Ausreise-Stempel direkt beim Grenzübertritt zu Chile in Hito Cajon bekommt.

Resümee:

Der erste Teil meiner Bolivientour hat hiermit sein Ende gefunden und ich genieße das gute Essen, die Entspannung und die Ruhe im Salz-Hotel. Diese Tour war für mich die bisher anstrengendste Tour meines Lebens! Nie war ich so lange so nah an meinen körperlichen Grenzen! Zu diesem Zeitpunkt habe ich aber noch keine Ahnung davon, dass der zweite Teil meiner Bolivientour noch fordernder sein wird. Am Ende werde ich mit dem Gefühl ankommen, dass ich solche Anstrengungen und Strapazen so bald nicht wieder auf mich nehmen werde. Gleichzeitig möchte ich rückblickend gerade meine Tour durch Bolivien nicht missen, denn kein Teil meiner Weltreise hat sich so tief in mein Gedächtnis gegraben wie dieser!

Tipps und Warnungen:

  1. Wenn du nicht hundertprozentig fit bist und oder deine Grenzen nicht kennst, dann lass es! Als Sportler bin ich ein großer Freund davon, mich selbst und andere zu Höchstleistungen zu motivieren und fordere gern dazu auf, auch mal die eigenen Grenzen auszutesten und die eigene Komfortzone zu verlassen. In Bolivien kann dies lebensgefährlich sein! Insbesondere auf der Lagunenroute gilt, dass es kein Internet, keinen Mobilempfang gibt und dir keine Bergrettung zur Hilfe eilt, wenn du kein Wasser oder Essen mehr hast oder aufgrund von Erschöpfung einfach zusammenklappst. Vielleicht findet dich ein Touristenjeep. Vielleicht …
  1. Die Entfernungen und die dafür benötigte Zeit sollte man realistisch einschätzen und immer genug Wasser mitnehmen (auf einer Strecke der Lagunenroute hatte ich 12 Liter Wasser dabei). Erlange Sicherheit hinsichtlich der nächsten Wasserstelle, bevor du losfährst (Infos aus Reiseführern oder von Websites können veraltet sein)!
  1. Ein GPS und einen Kompass sollte man zur Orientierung dabei haben; ebenso ausreichend Batterien oder eine mobile Lademöglichkeit (z.B. Solarpanel). Die Orientierung in der Wüste nur anhand von Karten oder mit Blick auf Jeepspuren ist ein gewagtes Unterfangen und birgt ein großes Risiko sich zu verfahren!
  1. Niederschläge sind auf dieser Tour mit erheblicheren Beeinträchtigungen verbunden als dies normalerweise der Fall ist und deshalb spielt die Entscheidung für die „richtige“ Reisezeit eine große Rolle. Selbst wenn statt Schnee „nur“ Regen niedergeht, ist an ein Vorwärtskommen mit dem Rad oft nicht mehr zu denken, weil sich dann die ohnehin schwer zu befahrene Sand- und Schotterpiste in eine undurchdringliche Schlammwüste verwandelt. Und auch hier gilt: Ausnahmen vom typischen Wetter können jederzeit auftreten. Auf jeden Fall die kurzfristigen Wetteraussichten beobachten (Wetter-App, Gespräche mit Einheimischen, Radio oder Tageszeitungen) und die Tour gegebenenfalls anpassen!
  1. Am Nachmittag treten meist heftige Winde auf, die sich zu ausgewachsenen Stürmen entwickeln können, so dass ein Vorwärtskommen ausgeschlossen ist. Deshalb lieber früh losfahren und rechtzeitig nach einem geeigneten Schlafplatz Ausschau halten, um dort das Zelt aufzubauen, bevor sich der Sturm richtig entfaltet. Dabei die Ausrüstung, vor allem das Zelt beim Aufbau gegen ein Wegfliegen sichern, indem man sich zum Beispiel die Befestigungsschnüre des Zeltes um den Arm wickelt. Frühzeitig die schwere Ausrüstung ins Zelt legen, um es zu beschweren. Wem in der Wüste bei Sturm und Minustemperaturen das Zelt wegfliegt, riskiert mehr als nur einen Schnupfen!
  1. In den Höhenlagen ist man einer sehr intensiven Sonneneinstrahlung ausgesetzt. Wegen der angenehmen Temperaturen bemerkt man dies aber kaum und kann sich ohne einen starken Sonnenschutz einen ordentlichen Sonnenbrand holen. Ich empfehle einen breitkrempigen Hut, eine Sonnenbrille mit großen, guten Gläsern, langärmlige Shirts und Hose und Sonnenmilch mit LSF +50.
  1. Auf jeden Fall schon an der Grenze Geld umtauschen bevor es ins Hinterland geht. Die durch die Lektüre des Reiseführers bei mir geweckte Hoffnung, dass der „US-Dollar die anerkannte Zweitwährung“ sei, mag für die wenigen größeren Städte in Bolivien gelten (auch das scheint mir veraltet); auf dem Land akzeptiert man jedenfalls keine US-Dollar.
  1. Spanisch lernen bevor es nach Bolivien geht! Hier spricht so gut wie kein Mensch Englisch; manchmal nicht einmal Spanisch! Die Gastfreundschaft ist in Bolivien ohnehin nicht sonderlich stark ausgeprägt; da können Spanischkenntnisse extrem hilfreich sein.

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